Samstag, 29. Dezember 2012

28.12.2012 - Andrea del Sarto II

Andrea del Sarto im Chiostrino dei Voti (SS. Annunziata) in Florenz

Lasst mich also mit dem ersten Fresko anfangen: Der heilige Philippus heilt einen Lepra-Kranken (1509-1510). Ob es nun chronologisch das Erste war oder ob Andrea del Sarto an mehreren Fresken gleichzeitig arbeitete, wie es sich für eine Werkstatt gehörte, in der es neben einem Meister und Inhaber, sicherlich mehrere Gesellen gab, wird sich später herausstellen.

Philippus mit zwei seiner Mitbrüder
Die Legende beschreibt, dass Philippus Benititius (1233-1285) in Camigliano, in der Nähe von Siena an einem Wintertag einen armen Leprakranken traf. Von tiefem Mitleid bewegt, zog sich Philippus, da er kein Geld bei sich hatte, die Kutte aus und gab sie dem Leprakranken. Kaum hatte der Kranke die Kutte umgelegt, schon fühlte er sich geheilt. Der Ruf des Wunders gelangte bis nach Viterbo, wo gerade die Kardinäle zusammen saßen, um einen Nachfolger für den kürzlich verstorbenen Papst Klemenz IV. zu finden. Kardinal Ottobuono Fieschi schlug dem heiligen Kollegium vor, Philippus als Papst zu wählen. Sobald dieser davon erfuhr, floh er in eine Einsiedelei am Monte Amiata. Dort blieb er, bis ein neuer Papst gewählt worden war.  

Philippus hilft einem Leprakranken (Foto: Sailko)
Auf dem Fresko sieht man ihn wie er sich zum Leprakranken hinlehnt, sich fast angezogen von ihm fühlt. Weiter oben ist er ohne seine Kutte dargestellt. Das Fresko befindet sich rechts neben der Büste von Andrea del Sarto.

Damit man den räumlichen Zusammenhang sieht






Freitag, 28. Dezember 2012

27.12.12 - Andrea del Sarto I

Andrea del Sarto - I

Andrea del Sarto hieß eigentlich Andrea d'Agnolo di Francesco di Luca di Paolo del Migliore Vannucchi. Er lebte vom 16. Juli 1486 bis 29. September 1530. Er kam in Florenz auf die Welt, wo er auch starb.


Andrea del Sarto
Das Chiostrino dei Voti ist eine Art Vorhof zur Basilika SS. Annunziata in Florenz. In den Bögen gibt es einen interessanten Freskenzyklus, der im 15. und 16. Jahrhundert angelegt wurde. Hier arbeiteten eine Reihe der damals großen "neuen Meister", die später dem Manierismus zugeordnet wurden. Hier arbeiteten neben Andrea del Sarto auch Pontormo und Rosso Fiorentino.

Giovanni Battista Caccini (1556-1613) war ein Florentiner Bildhauer und Architekt. Von ihm stammt unter anderem das Cyborium in Santo Spirito. Von ihm stammt auch der Portikus der Basilika SS. Annunziata und eben die Plastik, die die Brüder des Klosters für den großen Meister stifteten.

Text unter der Büste für Andrea del Sarto

Die Brüder des Ordens waren Andrea del Sarto sehr dankbar für seine religiösen Fresken, in denen er den Gründer des Serviten-Ordens Philippus Benitius verherrlichte. Auf der Tafel darunter steht: Andrea Sarto, ein Florentiner, bekannter Maler, hat hier im Vestibül zur Basilika viel ausgemalt und dekoriert zur Verzierung des bewunderten Tempels ... Bruder Laurentius und seine Brüder... stifteten in dankbarer Erinnerung dieses Denkmal ..." So oder ähnlich lautet der lateinische Text.

Von den Fresken an den Wänden des Chiostrino dei Voti stammen die folgenden von Von Andrea del Sarto:

Der heilige Philippus heilt einen Lepra-Kranken (1509-1510)
Bestrafung der Fluchenden (1510)
Heilung einer Besessenen (1509-1510)
Tod des Philippus Benitius und Auferstehung eines Jungen (1510)
Anbetung einer Reliquie des heiligen Philippus durch die Florentiner (1510)
Reise der Magier (1511)
Geburt der heiligen Jungfrau (1513-1514)

Es folgen weitere Kommentare zu den wirklich interessanten Fresken.

Sonntag, 9. Dezember 2012

9.12.2012 - Bruderschaft S. Girolamo und S. Francesco Poverino

Die Bruderschaft S. Girolamo und S. Francesco Poverino


An einem der schönsten Plätze von Florenz, der Piazza Santissima Annunziata befindet sich eine kleine Kirche, die von der Bruderschaft S. Girolamo und S. Francesco Poverino betrieben wird. 

Eingang zur Kirche
Inschrift über dem Eingang

Die Bruderschaft hatte die Kirche von der Gesellschaft Jesus Christus am Kreuz übernommen, die zum, von Philippus Benitius gegründeten Serviten-Orden gehörte. Die Bruderschaft hat heute das vom Bischof sanktionierte Privileg, die sonntägliche Messe in Latein abzuhalten. Der Gottesdienst wird nach dem tridentinischen Ritus gefeiert und gregorianische Gesänge werden gepflegt.

Der aktuelle Plan für die lateinische Messe
Im Vorraum auf der linken Seite, über dem Büchertisch, hängt ein Kreuz mit all den Utensilien, mit denen Christus am Kreuz gequält wurde.

Alles da: Dornenkrone, Speer und Schwamm mit Ysop am Holzstecken
Eine Büste des heiligen Antoninus, eines Bischofs von Florenz, ziert eine weitere Wand des Vorraums. Die Wandgemälde wurden kürzliche renoviert.

Sant'Antonino
 Die Ausstattung ist barock und ziemlich schlicht, schafft aber die richtige Athmosphäre für einen Gottesdienst in Latein.


Samstag, 24. November 2012

24.11.2012 - Santa Maria del Fiore - Porta della Mandorla

Porta della Mandorla am Dom von Florenz

An der Nordseite des Doms befindet sich die nach dem spätgotischem Hochrelief bezeichnete Porta della Mandorla. Die Außenseite von Santa Maria del Fiore in Florenz ist ein wunderbares Freilichtmuseum, das nun wieder eines seiner berühmtesten "Exponate" zeigt. Zehn Jahre hat die Restauration der Pforte, der Reliefs und des Mosaiks gedauert. Anfang Juni 2012 wurde die häßliche Plane abgenommen und fielen die Gerüste. Von nun an kann man kostenfrei eines der berühmtesten Werke der italienischen Renaissance bewundern. Die Einfassung der Pforte, die aus Marmorreliefs und kostbaren Intarsienarbeiten besteht wurde zwischen 1391 und 1422 vorgenommen. Bekannte Künstler wie Donatello und vor allem Nanni di Banco waren an dem Werk beteiligt.

Maria in der Mandorla (Gianni di Banco, frühes 15. Jh.)
Maria in der Mandel oder der Mandorla wird hier ohne ihren Sohn dargestellt. Sie hält ihren Arm so als würde sie den Gürtel präsentieren, den der heilige Thomas unten links als Beleg für die Himmelfahrt der Gottesmutter in Empfang genommen haben soll. Auf ihrer Himmelfahrt wird sie von Engeln begleitet, die sie in einer Mandelschale in den Himmel schippern. Der Dom Santa Maria del Fiore ist dieser Frau gewidmet. Das Relief im Tympanon strahlt große Eleganz aus. Das Mosaik darunter stammt von den Ghirlandaio-Brüdern David und Domenico.

Verkündigung Mariae (David und Domenico Ghirlandaio (1489-1490)
Das Mosaik stellt die Verkündigung der unbefleckten Empfängnis dar, ein Bild das dem klassischen Kanon entspricht und so etwas wie ein Standard in der mariengläubigen Stadt Florenz war. Dies ist der Moment, da Maria zur Mutter Gottes wird, darüber die Himmelfahrt, mit der sich ihr irdischer Lebenskreis schließt. Eigentlich sollte die Restaurierung nur 2 Jahre dauern, aber daraus sind schnell einmal 10 Jahre geworden. Und alles für die Schönheit von Florenz und dem Glanz am Dom. Und man muss nicht einmal Eintritt zahlen. Dennoch lohnt ein Besuch im Dom-Museum, weil dort einige originale Skulpturen der Pforte aufbewahrt werden.

Die Porta della Mandorla in voller Schönheit ohne Planen und Gerüste
Wenn man genauer hinschaut, ist alles ein wenig schief. Entweder habe ich einen Knick in der Optik oder der Dom, alles Handarbeit, steht schief. Ist egal und gut so, macht ihn nur noch schöner. Wer etwas über das Leben der Maria erfahren möchte, wird schon am Äußeren des Domes fündig. Wunderbar.

Sonntag, 11. November 2012

11.11.2012 - Rilke und Santissima Annunziata

Florenzer Tagebuch (Rainer Maria Rilke)

Rainer Maria Rilke war 1898 für ein paar Wochen in Florenz. Er war 23 Jahre alt und in die damals 37jährige Lou Andreas-Salomé verliebt, die er mit Berichten und Reflexionen über seinen Aufenthalt in Florenz, mitunter erst später niedergeschrieben, imponieren wollte. Leider kommen die Berichte über die Kirchen etwas zu kurz. Die Gemütsverfassung des jungen Rilke und der sanfte Frühling in Florenz passen wunderbar. Er erlebt die Kunst der Stadt intensiv.

Und soll ich dir sagen, wie mein Tag verrollt?
Früh zieh ich durch die strahlende Viale
zu den Palästen, drin ich wachsend prahle,
und mische mich auf freier Piazzale
ins braune Volk, wo es am tollsten tollt.

Nachmittags bete ich im Bildersaale,
und die Madonnen sind so hell und hold.
Und komm ich später aus der Kathedrale,
ist schon der Abend überm Arnotale,
und ich bin leis und langsam müd und male
mir Gott in Gold ....

Florenz, 18. April 1898 

Rilke erkennt schnell, dass es keinen Sinn macht, in seinem Tagebuch das zu wiederholen, was in den Reiseführern geschrieben steht. Das war klug und er nimmt die Herausforderung der Stadt an, um über Kunst, Künstler und Kunstwerk zu philosophieren. So bleibt er originell und langweilt seine Freundin nicht mit Kirchenbeschreibungen. Rilke wohnte am Lungarno Serristori unweit vom Ponte delle Grazie, im dritten Stock.

Hier seine Meinung zu den Touristen der damaligen Zeit, was wohl heute noch immer gilt:

".... In Italien laufen sie blind an tausend leisen Schönheiten vorbei zu jenen offiziellen Sehenswürdigkeiten hin, die sie doch meistens nur enttäuschen, weil sie, statt irgendein Verhältnis zu den Dingen zu gewinnen, nur den Abstand merken zwischen ihrer verdrießlichen Hast und dem feierlich-pedantischen Urteil des Kunstgeschichtsprofessors, welches der Baedeker ehrfurchtsvoll gedruckt verzeichnet. ..." (S. 25)

Die Geburt Mariä - Fresken von Domenico Ghirlandaio und Andrea del Sarto

Erwähnung bei Rilke findet das wohl bekannteste Fresko von Domenico Ghirlandaio in der Kirche Santa Maria Novella in der Nähe des Bahnhofs gleichen Namens.

"... In Santa Maria Novella vollends in den alten bequemen Chorherrenbänken unter den Ghirlandajos länger noch bleiben, ohne zu lesen. Diese Fresken erschienen mir als Ghirlandajos liebenswürdigste Arbeit: Novellenbilder im vollsten Sinn. Lapidare Illustrationen der Geschichte der Maria. Rechts unten: das bekannt Fresko, die Geburt der Maria darstellen. Die Wehestube einer edlen Florentiner Dame, .....

Domenico Ghirlandaio: Die Geburt Mariä (um 1490) in Santa Maria Novella, Florenz
.... ähnlich wie auf der Darstellung des Andrea del Sarto in der Vorhalle der Santissima Annunziata, breit und mit Geduld erzählt, so wie alte Leute tun, die am liebsten immer wieder von vorn anfangen möchten. Etwas geschwätzig durch die vielen müßigen Frauen, die ziemlich gleichgültig in den Raum der Chornische heraussehen und durch die Absicht des Malers, möglichst viel Florentiner Schönen durch diese Verewigung zu schmeicheln, bedingt.


Andrea del Sarto, Geburt Mariä (ca. 1513-14) im Chiostrino dei Voti der SS. Annunziata, Florenz
Damals - glaube ich - empfand man schon ein bedeutendes Hemmnis in diesem Erzählenmüssen lang bekannter alter Geschichten, und man mochte auch schon fühlen, wie unmalerisch es doch eigentlich sei, immer wieder Handlung statt Situation, Ereignis statt Ereignismöglichkeit bieten zu sollen. Man suchte sich an den Porträts, welche man als werte und vornehme Aufgabe erkannt hatte, einigermaßen schadlos zu halten und betonte diese neben der Architektur und den jungen Errungenschaften der Linearperspektive weit über den Vorgang hinaus, wie um bei einer anderen Zeit sich zu rechtfertigen. Diese Art hat etwas von dem Meinetwegen-Achselzucken des Untergebenen hinter dem Rücken des Herrn: 'Wenn er es denn schon mal nicht anders will!'" (S. 51).

Und Rilke hatte Recht. Ghirlandaio verewigte Ludovica Tornabuoni, Tochter des Auftraggebers, die den Zug der Jungrauen anführt und im Profil dargestellt ist. Dahinter weitere Verwandte der Tornabuoni. Bei dem Fresko von Andrea del Sarto gibt es wilde Vermutungen. Doch darüber später.

Die Zitate stammen aus: R.M. Rilke, Florentiner Tagebuch, insel taschenbuch, 1994